Die Nacht im Zelt begann ruhig und wurde nur unterbrochen durch irgendwelche kleineren Säugetiere, die versuchten unter Geklöter die leere Dose mit der Pastasauce zu klauen. Da ich mit dem Buck-Knife
von Anja und Markus bewaffnet im sicheren Zelt lag und die Tiere nicht grunzten oder knurrten, machte ich mir keine allzu großen Sorgen und schlief dann bis acht Uhr morgens weiter. Der Tag begann
mit einem Bad im See.
Das Zusammenpacken morgens ist inzwischen zur Routine geworden. Trotzdem dauert es bis zum Start doch immer etwas länger als gedacht.
Die Via Claudia Augusta entlang der alten römischen Handelsstrasse ist idyllisch und eine gute Mointainbikereifenteststrecke. Bei Roßhaupten flickte ich das kleine Loch im Vorderreifen, dass mich
seit Donauwörth begleitete. Die Fahrradstation direkt am Weg war superfrequentiert, Sonntag, schönes Wetter und Mietradstation = viele Radler. Der Betreiber des kleinen Ladens hatte wenig Zeit mit
mir zu sprechen. So viel bekam ich aus ihm heraus: seit 27 Jahren in Oberbayern, vorher seit 1982 in Berlin, davor aus Dresden. 1982 von der BRD als DDR Häftling freigekauft. Er meinte, er wäre froh,
beide Systeme kennen gelernt zu haben, sei auf beiden Seiten ein unbequemer Bürger gewesen. Dann gab er mich noch den folgenden Satz mit, auf dem ich noch kilometerlang rumkaute: "das haben die schon
sehr perfide eingefädelt, dass alle immer arbeiten und gar keine Zeit mehr haben, sich Gedanken zu machen und eventuell unbequem zu werden".
Durch Füssen führt teilweise ein kleiner idyllischer Radweg, der erahnen lässt, dass es hier einmal schön war. Der endet bei einer Konditorei, die leckeren Apfelstrudel backt und ansonsten ein
Tortensortiment aufweist, mit dem man eine prima römische Orgie veranstalten könnte. Ich bliebt beim Apfeltstrudel und ließ Füssen
dann schnell hinter mir. Zu viel brüllender Verkehr und in der Füßgängerzone zu viele endgenerve und totgelangweite Menschen, die nach Stunden im Stau und Parkplatzsuche endlich ihr Auto parken
konnten. Irgendwie bin ich sicher, Füssen ist für die hohe Scheidungsrate in Deutschland mitverantwortlich. Aber leckeren Kuchen haben die da....
Dann fuhr ich immer weiter den Lech rauf. Das radelte sich so schön, dass ich bei Reutte die Abzweigung zum Fernpass verpasste. Als ich nach einem kurzen Wettrennen mit eine E-Bikerin
meinenFehlereinige Kilometer später bemerkte, kam mir die Idee, ich könne ja auch über das Hantenjoch nach Imst fahren. Nach kurzer schlechter Recherche dachte ich Fernpass 1250 Höhenmeter,
Hantenjoch1350Höhenmeter und viel kürzere Strecke. Also schrieb ich das schon mal in whatsapp an Dagmar und Jürgen und warf noch ein paar M&Ms ein. Dann wunderte ich mich doch etwas über Jürgens
Antwort,derdas Hantenjoch in seiner Whatsapp-Antwort als "Bermudadreieck der Radfahrer" bezeichnete. Also guckte ich noch mal nach und siehe da, es sind weit über 1800 Höhenmeter mit Steigungen über
18%.Icherinnerte mich an mein Gekeuche den Ventoux hoch, bedachte das Gewicht meiner Ausrüstung, erwog die entzündete linke Archillissehne und beschloss dann, Rückzug ist angesagt. Also zurück
nachReutte und über den Fernpass. Das zieht sich dann noch ganz schön lang hin. Erst hoch, dann wieder runter nach Leermoos und dann wieder rauf. Die letzten Kilometer mit viel
schlechterSchotterstrecke.Die totale Genugtuung war dann der Autostau mit Totalstillstand auf dem Pass. Freie Fahrt für freie Bürger dache ich mir und keuchte langsam weiter nach oben.
Am Pass angekommen traf ich Brigitte und Andrea aus Nürnberg, die, wie jedes Jahr, ihr Männer zuhause in Nürnberg ließen und sich mit minimalster Ausrüstung und leichtesten Mountainbikes
aufAlpenüberquerung begaben. Natürlich war ich mit meinem Schwertransport und LKW-Fahrrad sofort Gesprächsthema und gut organisiert, wie man es eben ohne Gepäck sein muss, verhalfen sie mir mit
einemTelefonat in Ihrer Herberge in Nassereith eine günstige Übernachtung. Da rollten wir dann über das spaktakuläre Stück alte Römeratrasse hin. Wirklich eindrucksvoll sind die heute noch
sichtbarenAuskerbungen der Räder römischer Fuhrwerke in den Steinen.
Das ist auch die Johann-Handgelenk-Gedenstrecke. Denn die Kombination aus steiler Abfahrt, ermatteter Konzentration, fiesem Schotter und den berüchtigten und gefährlichen Klick-Pedalen führte vor
zwei Jahren bei Johann zu einem vorzeitigen Venedigtourabbruch. Ich glaube seitdem, dass die Kombination Barfuss, Sandale und Pedale einen weiter bringt. Aber das Thema Klickpedale ist sicher
nicht nicht zuende diskutiert.